33/A XXIV. GP

Eingebracht am 28.10.2008
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANTRAG

der Abgeordneten Glawischnig-Piesczek, Freundinnen und Freunde

 

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Bundesgesetz über die Instandsetzung und Fürsorge jüdischer Friedhöfe erlassen wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Bundesgesetz, mit dem ein Gesetz über die Instandsetzung und Fürsorge jüdischer Friedhöfe erlassen wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Artikel I

Das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl Nr 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 2/2008, wird wie folgt geändert:

In Art 10 Abs 1 Zif 13 wird nach dem Wort „Angelegenheiten des Kultus“ eingefügt: „Instandsetzung und Fürsorge jüdischer Friedhöfe;“

 

Artikel II

„Bundesgesetz, mit dem ein Gesetz über die Instandsetzung und Fürsorge jüdischer Friedhöfe erlassen wird

§ 1. Die im Gebiet der Republik Österreich befindlichen jüdischen Friedhöfe werden dauernd erhalten. Die Sorge für die würdige und geziemende Erhaltung von jüdischen Friedhöfen obliegt in Ergänzung einer Pflege von anderer Seite dem Bund.

§ 2. (1) Der Eigentümer eines Grundstückes, in dem solch ein Friedhof liegt, ist verpflichtet, den Friedhof dauernd zu belassen, ihn zugänglich zu erhalten und alle Vorkehrungen zu dulden, die seiner Instandhaltung dienen.

(2) Diese Verpflichtung ist eine öffentliche Last, die allen öffentlichen und privaten Rechten im Range vorgeht und der Eintragung in das Grundbuch nicht bedarf.

§ 3. (1) Jüdische Friedhöfe im Sinne dieses Bundesgesetzes sind alle bekannten und unbekannten Friedhöfe und Grabstätten im Bundesgebiet, die der Bestattung verstorbener Juden und Jüdinnen auf immerwährende Zeit dienen.

(2) Bestehen Zweifel über Vorliegen und Ausmaß eines jüdischen Friedhofs bzw einer Grabstätte, so entscheidet darüber der Bundesminister für Inneres auf Antrag der Israelitischen Kultusgemeinden oder des Grundstückseigentümers in einem Feststellungsverfahren.

(3) Da die Instandsetzung und Fürsorge jüdischer Friedhöfe auch religiöse Fragen berührt, sind die im jeweiligen Sprengel zuständigen Israelitischen Kultusgemeinden Österreichs vor Planung und Inangriffnahme anzuhören. Fragen die Halacha betreffend bedürfen der Zustimmung der zuständigen Israelitischen Kultusgemeinde.

§ 4. Jüdische Friedhöfe im Sinne dieses Bundesgesetzes sind insbesondere

(1) im Bundesland Niederösterreich die Friedhöfe in Amstetten, Bad Pirawarth, Baden, Bruck an der Leitha, Deutsch Wagram, Dürnkrut, Felixdorf, Gänserdorf, Göstling, Göttsbach an der Ybbs, Großenzersdorf, Hohenau, Hollabrunn, Horn, Klosterneuburg, Korneuburg, Krems, Marchegg, Michelndorf, Mistelbach, Mödling, Neulengbach, Neunkirchen, Oberstockstall, St. Pölten (alter und neuer Friedhof), Stockerau, Tulln, Waidhofen an der Thaya, Wiener Neustadt, Ybbs, Zistersdorf und Zwettl;

(2) im Bundesland Burgenland die Friedhöfe in Bad Sauerbrunn, Deutsch Schützen, Deutschkreutz, Eisenstadt (alter und neuer Friedhof), Frauenkirchen, Gattendorf, Großpetersdorf, Güssing, Kittsee, Kobersdorf, Lackenbach, Mattersburg, Oberwart, Rechnitz, Schattendorf und Stadtschlaining (alter und neuer Friedhof);

(3) im Bundesland Wien die Friedhöfe Döbling, Floridsdorf, Seegasse, Währing, Zentralfriedhof Tor 1 und Zentralfriedhof Tor 4;

(4) im Bundesland Oberösterreich die Friedhöfe in Gmunden, Linz und Steyr;

(5) im Bundesland Steiermark die Friedhöfe in Bad Aussee, Graz, Judenburg, Knittelfeld, Leoben und Trautmannsdorf;

(6) im Bundesland Kärnten der Friedhof in Klagenfurt;

(7) im Bundesland Salzburg der Friedhof in der Stadt Salzburg;

(8) im Bundesland Tirol der alte und neue Friedhof in Innsbruck;

(9) im Bundesland Vorarlberg der Friedhof in Hohenems.

§ 5. Wer aus politischer Gehässigkeit die Grabstätten auf einem der jüdischen Friedhöfe im Sinne dieses Bundesgesetzes zerstört, beschädigt oder verunehrt oder sich an dem Leichnam oder den sterblichen Überresten der Toten vergreift, macht sich eines Verbrechens schuldig und wird, sofern die Tat nicht eine schwerer verpönte strafbare Handlung darstellt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren bestraft.

§ 6. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist das Bundesministerium für Inneres betraut.

 

Begründung:

In Anhang A Punkt 8 zum Abkommen zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zur Regelung von Fragen der Entschädigung und Restitution für Opfer des Nationalsozialismus vom 23. Jänner 2001 („Washingtoner Abkommen“) verpflichtet sich Österreich, zusätzliche Unterstützung für die Restaurierung und Erhaltung bekannter und unbekannter jüdischer Friedhöfe zu leisten. Eine gesetzliche Umsetzung dieser Verpflichtung ist bis heute nicht geschehen.

Die Halacha, das religiöse Gesetz des jüdischen Glaubens, verpflichtet die jüdischen Gemeinden zur immerwährenden Erhaltung ihrer Friedhöfe und Grabstätten. Aufgrund der Zerstörung der jüdischen Gemeinden Österreichs in der NS-Zeit und der Vertreibung und Ermordung ihrer Mitglieder sind diese nicht dazu in der Lage, diese Aufgabe zu übernehmen.

Der Halacha zufolge gehört ein jüdisches Grab ausschließlich den Toten. Es ist auf ewig unantastbar. Dem religiösen Gebot folgend, müssen daher ein jüdisches Grab und ein jüdischer Friedhof auf ewige Zeiten bestehen bleiben. Der Respekt vor diesem religiösen Gebot, das Bewusstsein um die kulturhistorische Bedeutung jüdischer Friedhöfe und Grabstätten als Denkmäler einer zerstörten Kultur und die Anerkennung historischer Verantwortung erfordern die Unterstützung von Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen durch die öffentliche Hand.

Aufgrund der Ereignisse während und in Folge der NS-Zeit ist der Zustand von zumindest 18 jüdischen Friedhöfen als äußerst mangelhaft oder mangelhaft zu bezeichnen, insbesondere von jenen in Deutsch Wagram, Dürnkrut, Eisenstadt, Großenzersdorf, Hohenau, Kittsee, Michelndorf, Mistelbach, Oberstockstall, Waidhofen an der Thaya, Gattendorf, Güssing, Kobersdorf, Lackenbach, Rechnitz, Währing, Zentralfriedhof Tor 1, Innsbruck (alter Friedhof). Zusätzlich zur Instandhaltung ist im Fall dieser Friedhöfe eine erstmalige Instandsetzung erforderlich, die durch öffentliche und private Mittel erfolgen soll.

Der Zustand der jüdischen Friedhöfe verschlechtert sich derart rapide, dass nach Einschätzung des Bundesdenkmalamtes beispielsweise auf dem jüdischen Friedhof in Wien-Währing ohne rasche Maßnahmen innerhalb der nächsten fünf Jahre rund 20 % der auf den Grabsteinen existierenden historischen Daten unwiederbringlich verloren gehen. Bei schätzungsweise 750 der 8000 Grabstätten ist zu befürchten, dass die Steine bereits innerhalb der nächsten zwei Jahre in einem unrettbaren Zustand sein werden. Es besteht daher dringender Handlungsbedarf, um den Zerfall zahlreicher historisch bedeutsamer Grabstätten zu verhindern.

Ausgehend davon und eingedenk der Tatsache, dass den hiesigen Kultusgemeinden die Instandsetzung und Instandhaltung der Vielzahl von Grabstätten und Friedhöfen nicht zumutbar ist, wird eine bundesgesetzliche Verpflichtung des Bundes zur Instandsetzung und Erhaltung jüdischer Friedhöfe vorgeschlagen.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen sowie die Durchführung einer ersten Lesung innerhalb von drei Monaten verlangt.

 

 

 



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